Donnerstag, 1. August 2013

Cheboksary Tag 1

Ich weiß gar nicht wo ich anfangen soll... Wir haben heute so viel gesehen, das es mir schwerfällt alles wiederzugeben und den post nicht in ein Buch ausarten zu lassen....

Also:

Um 11:00 Uhr holt uns Anatoli und Lyudmila zu einer Stadtrundfahrt vom Hotel ab. Lyudmila ist eine
pensionierte Deutschlehrerin und vertreibt sich im Sommer die Zeit mit Stadtführungen. Sie spricht ausgezeichnet deutsch, weiß viel über die Stadt und Tschuwaschien zu berichten, und vermittelt uns die Inhalte mit viel Witz.

Wir beginnen unsere Rundfahrt mit der Erinnerungsstätte des 2. Weltkrieges und als erstes erklärt uns Lyudmila ein paar Unterschiede bezgl. der russischen und der
tschuwaschischen Sprache. Tschuwaschisch ist eine eigenständige Sprache und wird in tschuwaschischen Schulen als Pflichtfach unterrichtet. Ich kann ja inzwischen ein bisschen die kyrillische Schrift lesen und habe mich schon die ganze Zeit gefragt, warum in Tschuwaschien z.B. über dem y Doppelpunkte sind? Ja, im tschuwaschischen wird das russische y, gesprochen 'u' durch die Punkte zu einem 'ü'. Das kommt uns doch bekannt vor, es spricht sich auch genauso wie das deutsche 'ü'.
Die Erinnerungsstätte hatten wir auch ganz kurz während der Friedenstour besucht. In der Höhe über der Wolga thront Mütterchen Russland über der ewigen Flamme. Vor der Erinnerungsstätte kann man verschiedenes Kriegsmaterial aus dem 2. Weltkrieg
besichtigen, unter anderem einen T-34 und eine Stalinorgel. Es ist schon beeindruckend, wie viele Erinnerungsstätten es in Russland gibt - der große vaterländische Krieg ist im Bewusstsein der Russen allgegenwärtig und fest verankert.

Auf der anderen Seite des Tales blickt uns die 48 Meter hohe Statue der Mutter der Tschuwaschen entgegen, die ihre Hände ausgebreitet und schützend über Cheboksary hält, Lyudmila erklärt uns auf ihre witzige Art, dass die Leute lange darüber diskutiert haben, wie es sein kann, dass ein Mensch zwei Mütter hat? Die Lösung ist klar! Es ist die Mutter und die Schwiegermutter! ;-)

Weiter geht's mit dem Auto ins Tal zum Salif, der Flaniermeile von Cheboksary. Bei schönem Wetter tummeln sich hier eine ganze Menge Menschen um spazieren zu gehen,  mit den Rollerskates zu laufen oder sich ganz einfach an der Wolga zu erfreuen, die hier, aufgrund der Stauung durch das Kraftwerk, mehrere Kilometer breit ist. Für den Bau des Kraftwerkes hat Cheboksary einen hohen Preis bezahlt - der aufgestauten Wolga fiel ein großer Teil der ursprünglichen Altstadt zum Opfer. Sehr schade, ich hätte sie gerne gesehen.

Am Salif befindet sich auch das tschuwaschische Nationalmuseum und das Dramatheater. Das Nationalmuseum werden wir morgen besuchen. Schön ist auch, wie hier mit den Helden des Sports umgegangen wird. Alle Namen der Olympiasieger und Weltmeister aus Tschuwaschien sind am Salif in großen Tafeln verewigt - hier werden die Helden nicht vergessen!

Nachdem wir kurz durch die kleine Fußgängerzone gegangen sind, dabei Steine gestreichelt haben und uns auf dem Stuhl des Denkmals zum Film "Die dreizehn Stühle" haben ablichten lassen, begeben wir uns ins nahegelegene Männerkloster, das gerade renoviert wird. Anatoli erzählt uns, das an Festtagen die Gottesdienste bis zu drei Stunden dauern - und in orthodoxen Kirchen wird gestanden, es gibt keine Stühle!

Bei der Gelegenheit erzählt uns Lyudmila, mit welchen sanften Methoden man früher die heidnischen Tschuwaschen für das Christentum gewonnen hat:  Jeder der Handel treiben wollte, musste in der Kirche sein bzw. wurden dann die Steuern reduziert. Der Zulauf war enorm! ;-) Der Gründer meiner Glaubensrichtung, Martin Luther, wäre damit wohl nicht einverstanden gewesen...

Bei einem kleinen Abstecher in den kleinen erhaltenen Teil von Cheboksary wandeln wir über der Wolga unter Linden. Hier treffen sich die frisch Verliebten - das kann ich gut verstehen.

Weiter geht's zum tschuwaschischen Oper- und Balletttheater, von wo man einen schönen Ausblick auf das am gegenüberliegenden Hang befindliche Regierungsviertel hat. Unten im Tal sieht man den Salif, auf dem man schön Radfahren kann, da komplett autofrei - das ist in russischen
Städten schon eine Seltenheit!

Nach einem Stückchen Fahrt kommen wir beim Tschapajew Denkmal heraus. Wassili Iwanowitsch Tschapajew wurde im Dorf Budukai, das heute zu Tscheboksary gehört, geboren und hat im revolutionären Kampf der Bolschewiki gegen die Menschewiki als Heerführer große Verdienste erlangt. Er ist in Russland sehr bekannt und populär. Lyudmila
hat dazu eine nette Anekdote auf Lager: Der große Fußballer Pele kommt nach Moskau auf den roten Platz und niemand grüßt ihn bzw. erkennt ihn. Ein bisschen beleidigt fragt er einen Mann, "erkennst Du mich nicht? Ich bin der bekannteste Mann der Welt!". Daraufhin der Mann: "Oh, Entschuldigung, dann musst Du Tschapajew sein...". ;-)

Wir fahren weiter zur Universität von Cheboksary. Hier kann man viele verschiedene Fächer und unter anderem auch Betriebswirtschaft
und Management studieren. Mir gefällt die Architektur sehr gut - viele sind Ende des 19. Jahrhunderts entstanden.

Hier verlässt uns auch Lyudmila, da die Stadtführung zu Ende ist. Es war sehr kurzweilig, herzlichen Dank Lyudmila!

Zum Mittagessen begeben wir uns in ein äußerlich
unscheinbares Restaurant, das sich aber im Inneren als astreiner Ungar entpuppt. Ich esse Fleisch in Erdbeersoße, sehr lecker. Herzlichen Dank Anatoli für die Einladung!

Während des Mittagessens stößt auch Katia (Ekaterina Smelova) zu uns. Katia studiert Management an der Universität von Tscheboksary und wird uns den restlichen Tag begleiten - ab jetzt reden wir wieder englisch.

Nach dem Essen fahren wir aus Tscheboksary hinaus, um das Museum zu Ehren von Andrin Nikolaev zu besuchen. Nikolaev, geboren in Tschuwaschien, war der dritte Mensch im Weltraum und stellte 1970 mit 14 Tagen im Weltraum einen neuen Langstreckenrekord auf. Wir besichtigen das Museum, zu dem auch die Blockhütte gehört, in der Nikolaev aufgewachsen ist. Einmal mehr bin ich beeindruckt von der
Heldenverehrung, den einfachen Verhältnissen in denen Nikolaev aufwuchs und der alten Singer Nähmaschine mit Handrad in seinem Elternhaus - irgendwie war da Deutschland auch daran beteiligt... ;-).  Katia übersetzt alle Vorträge für uns ins Englische - Liebe Katia, Danke für Deinen Einsatz, ohne Dich hätten wir nicht so viel verstanden.

Ganz in der Nähe baut Anatoli zusammen mit Alexander eine Biogasanlage, um mit dem gewonnenen Gas ein Gewächshaus zu betreiben.
Biogasanlagen sind in einem Land wie Russland, das viele Erdgasreserven besitzt, was sehr Neues. Es geht hier auch nicht um den Verkauf des Gases, sondern um damit weiterführend im strengen russischen Winter Gemüse anzubauen. Eine interessante Idee - ich bin gespannt wie sich das entwickelt...

Weiter geht es im Anschluss nach Mariinskiy Posad, einer Kleinstadt direkt an der Wolga, um eine weiteres
Museum zu besuchen. Mariinskiy Posad wurde nach Maria Feoderova, der Frau von Iwan dem 3. benannt. Hier gibt es ein kleines Museum im ehemaligen Haus eines Händlers aus dem 19. Jahrhundert, in dem wir nachvollziehen können, wie die Kaufleute damals gelebt haben. Wir gehen wieder auf die deutsche Sprache über, da Anatoli den Vortrag der Führerin für uns ins Deutsche übersetzt. Zum Abschluss gibt es ausgezeichneten Kräutertee.

Wieder zurück im Hotel treffen wir Alexey und Sergey, die uns morgen begleiten werden, da Anatoli und Alexander beruflich nach St. Peterburg müssen.

Abends klopft es noch an unsere Hotelzimmertür und Alexander Kapitonov schaut noch kurz vorbei, um sich vor der Abreise von uns zu verabschieden - sehr nett!

Anatoli, Lyudmila, Katia und Alexander: Vielen herzlichen Dank für diesen tollen Tag mit so vielen Informationen über Tschuwaschien!









2 Kommentare:

  1. Hallo ihr zwei, liebe grüße aus Innsbruck. Toll der Bericht. Lg

    AntwortenLöschen
  2. Euch Noherrs auch liebe Grüße von uns - wir sind soeben in Wladimir angekommen.

    AntwortenLöschen